Wer sich ungerecht bereichert, soll das so Erlangte herausgeben. Dieser
Satz ist in sich plausibel. Er scheint eine allgemeine Überzeugung
aller "billig und gerecht" Denkenden zum Ausdruck zu bringen; er entspricht
dem sog. common sense.
Aber welche Bereicherung ist ungerecht? Und was genau wird durch ungerechte
Bereicherung erlangt? Wem soll das durch ungerechte Bereicherung Erlangte
herausgegeben werden?
Stellt es eine ungerechte Bereicheung dar, wenn das Entgelt für
die Vorstandsmitglieder eine AG verdoppelt wird, ohne dass sich dies durch
Unternehmenserfolg oder Arbeitsleistung rechtfertigen lässt? Oder
wenn ein Industrieunterrnehmen für seine Produkte überhöhte
Preise fordert und erhält? Oder wenn ein Unternehmen durch eine erfolgreiche
Werbekampagne seinen Marktanteil zu Lasten seiner Wettbewerber erhöht,
obwohl die Qualität seiner Produkte hinter denen der Wettbewerber
zurückbleibt? Die Beispiele von Bereicherungen solcher Art, deren
Berechtigung nicht ohne weiteres erkennbar ist, ließen sich beliebig
vermehren. Und doch handelt es sich in all diesen Fällen gerade nicht
um ungerechtfertigte Bereicherungen im rechtlichen Sinne, die durch einen
Herausgabeanspruch auszugleichen sind.
Das Problem der Kategorie des Bereicherungsanspruchs besteht in einer
sinnvollen Beschränkung. Die Vagheit der Formel des § 812 BGB
verlangt nach einer zweckentsprechenden Reduktion des Anwendungsbereichs
der Vorschrift, die sich an der marktwirschaftlichen Ordnung zu orientieren
hat.
Leider hat der Gesetzgeber sich dieser Aufgabe entzogen und sie der
Rechtsanwendungspraxis überlassen. Diese tut sich damit jedoch auch
sehr schwer, und so ist in mancher Hinsicht das Bereicherungsrecht bis
heute nicht so scharf konturiert, dass es sich als anwendungsfreundlich
bezeichnen ließe.
Die Bedeutung dieser wichtigen Gruppe gesetzlicher Ansprüche
in §§ 812 ff BGB, der sog. Bereicherungsansprüche, vermag das nicht zu mindern. Sie unterscheiden
sich von den Schadensersatzansprüchen wegen unerlaubter Handlung weniger,
aber auch nach Anspruchsvoraussetzung, vor allem aber nach Anspruchsinhalt.
Zweck der §§ 812 ff BGB ist der Ausgleich ungerechtfertigter
Vermögensmehrungen, dies im Unterschied zu den Schadensersatzansprüchen,
die rechtswidrige Vermögensminderungen ausgleichen wollen.
Für das Bereicherungsrecht ist die Unterscheidung von zwei Anspruchskategorien
kennzeichnend, nämlich die Leistungskondiktionen und die Bereicherungsansprüche,
die nicht eine Leistung des Entreicherten voraussetzen und daher wegen
des praktisch bedeutsamsten Anwendungsfalls vielfach als Eingriffskondiktionen
bezeichnet werden. Für den Bereicherungsanspruch hat sich allgemein
in Anlehnung an die Terminologie des römischen Rechts der Ausdruck
„Kondiktion“ eingebürgert.
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